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Hoffnungmachen ist ihre Berufung

Mitten in der Nacht aufstehen, Todesnachrichten überbringen und den Angehörigen in diesen schlimmen Stunden beistehen – ihr ehrenamtliches Engagement verlangt Heike Knorr emotional viel ab. Denn wenn der Kriseninterventionsdienst zu einem Einsatz gerufen wird, kamen sämtliche Rettungsmaßnahmen zu spät…

„Es bleibt nicht aus, dass wir in einem Einsatz auch weinen“, gibt Heike Knorr ganz offen zu. So wurde sie einmal mit einer Kollegin zu einer Familie gerufen, in der es einen Fall von plötzlichem Kindstod gegeben hatte. Als die Großmutter das tote Baby zum Leichenwagen trug, standen alle auf der Treppe und weinten. „Als wir das Würmchen in ihren Armen liegen sahen, war das so traurig – das kann man sich gar nicht vorstellen!”, erzählt Knorr tief bewegt. Aber es sei auch nichts Schlimmes, wenn die Helfer des Kriseninterventionsdienstes (KID) während eines Einsatzes weinten. Sie seien ja Menschen und keine Roboter. „Es ist wichtig, dass wir echt sind – und echt sein kann ich nur, wenn ich meine Emotionen zeigen darf.” Natürlich dürfe man nicht in Tränen ausbrechen und kein Ende mehr finden; dann sei kein professionelles Arbeiten möglich. Besonders schwer sei es, wenn man einen Bezug zu der eigenen Biographie herstellen könne, zum Beispiel wenn das verstorbene Kind das gleiche Alter habe wie das eigene Kind.

Heike Knorr leitet das KID-Team. Ihre Arbeit konfrontiert sie mit Tod und Trauer. Foto: H. Knorr

Heike Knorr leitet das KID-Team. Ihre Arbeit konfrontiert sie mit Tod und Trauer. Foto: H. Knorr

Zwischen Zahlen und Schicksalen

Die 54-jährige Heike Knorr engagiert sich seit 1977 ehrenamtlich beim Deutschen Roten Kreuz (DRK). Angefangen habe sie in der Bereitschaft. Dort sei sie im Rettungswagen mitgefahren, habe Sanitätsdienste absolviert und bei Blutspenden assistiert. Seit rund 17 Jahren arbeitet sie hauptberuflich beim DRK in Bad Homburg – als Steuerfachgehilfin in der Finanzbuchhaltung. Damals hörte sie zum ersten Mal vom Kriseninterventionsdienst und dachte gleich, dass sie das interessieren würde. „Ich arbeite unheimlich gerne mit Menschen!”, sagt Knorr. Ihr Ehrenamt sei deswegen ein guter Ausgleich zu ihrem Beruf, in dem sie es fast nur mit trockenen Zahlen zu tun habe.

Im Februar 1997 ist Knorr in den Kriseninterventionsdienst eingestiegen, hat eine spezielle Ausbildung gemacht. Sie wurde unter anderem in Gesprächsführung und Selbstschutz geschult, erlernte das Überbringen von Todesnachrichten und den Umgang mit Stress. „Vom Moment an, als ich meine Ausbildung begonnen hatte, war mir klar: Das ist genau das, was du tun möchtest.” Durch die Ausbildung habe sie gemerkt, dass sie die Kraft habe, jemandem Hoffnung zu schenken, dem es ganz schlecht gehe. Und dann habe sie sich gesagt: Wenn ich was ehrenamtlich machen will, dann das. „Es ist zwar eng mit Tod und Trauer verbunden, aber es gibt mir ganz, ganz viel, jemandem in einer schlimmen Zeit helfen zu können.”

Relativ schnell übernahm sie die Leitung des 18-köpfigen Teams – „Stress pur, sag’ ich Ihnen!” Den verschiedenen Charakteren gerecht zu werden sei schwieriger als alle Einsätze. „Niemanden zu verärgern und auf jede Befindlichkeit einzugehen – das ist eine Herausforderung”, bekennt sie lachend. Doch Knorr leitet nicht nur den KID; sie ist auch für Fortbildungen verantwortlich und managt die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Nebenbei nimmt sie an Einsätzen des Teams teil. Letztes Jahr hatten die Helfer 130 Einsätze, bei 55 davon war Knorr selbst vor Ort. „Das ist eigentlich ein Fulltime-Job!” Jeder Einsatz sei anders; sie habe immer einen Riesenrespekt. Schließlich wisse sie nie, was sie eigentlich erwarte. „Wenn ich den Respekt verlieren würde, könnte ich die Menschen nicht so betreuen, wie sie es verdient haben.”

KID – ein Team für spezielle Einsätze

Der KID ist ein Fachdienst innerhalb des DRK Kreisverband. Es ist eine speziell ausgebildete, bunt gemischte Gruppe. Kaufleute, Handwerker, Pfarrer, Lehrer und Rentner gehören zu den ehrenamtlichen Helfern. Zurzeit besteht das Team aus 18 Personen; 15 von ihnen sind aktiv, gehen also in Einsätze. „Ideal ist es, wenn immer zwei Helfer einen Einsatz bestreiten.“ So könne sich einer um das Organisatorische kümmern, während der andere die Angehörigen betreue. Oder der eine beschäftige die Kinder und der andere bespreche mit den Erwachsenen, was als nächstes getan werden müsse. Leider komme es auch oft vor, dass Knorr allein rausgeht, wenn das Team tagsüber zu einem Einsatz gerufen und niemand sonst freigestellt wird. „Ich habe zum Glück mit dem DRK einen Arbeitgeber, der mein Engagement zu schätzen weiß.” Wenn sie tagsüber einen Einsatz habe, sei es ihr erlaubt zu gehen. Ihre Arbeit müsse sie nachholen und die Zeit am Nachmittag dranhängen.

Über Anja Beseler

Anja Beseler hat Online-Journalismus an der Hochschule Darmstadt studiert. Sie hat schon mehrere Praktika im PR-Bereich gemacht, unter anderem in der Öffentlichkeitsarbeit des Klinikum Hanau und in der Pressestelle der Stadt Hanau. Im Rahmen ihres Studiums hat sie an einigen praktischen Projekten, wie einem Lokalblog über Darmstadt und der Erstellung eines Kindermagazins, mitgewirkt. Als Bachelorprojekt hat sie mit Angie Trems den Blog "Heimliche Helden" eingerichtet und betreut, der sich mit ehrenamtlichen Helfern beschäftigt.

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